Die Nörgel-Beziehung

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Gerne gewöhnen wir uns auch an Situationen, die für unser Wohlbefinden nicht gerade zuträglich sind. Gleichzeitig beschweren wir uns ziemlich gern – über alles. Mal ist es zu heiß, mal zu kalt, der Po ist zu dick, die Waden zu dünn, das Essen zu fad. Wir beschweren uns über unseren Chef, der uns nicht ernst nimmt, über den Trambahnfahrer, der immer so schnell in die Kurven fährt. Mäh, mäh, mäh. Vor allem aber scheinen wir uns gerne über unsere Partner zu beschweren – und das nicht zu knapp. Da komme ich als Langzeit-Single nicht umhin mich zu fragen: Haben wir lieber eine Nörgel-Beziehung als gar keine?

Kopfschütteln

Ich kann nicht anders, als den Kopf darüber zu schütteln. Da stehe ich nun also so rum, als tolle, eigenständige Single-Frau. Also tolle, eigenständige Single-Frau, die irgendwie gerne einen Partner hätte. Um mich herum sehe ich so viele Paare, die gefühlt nichts anderes zu tun haben, als über ihren Partner zu meckern. In jeder Beziehung gibt es Momenten, in denen einem der Partner ordentlich auf die Nerven geht. Weil er immer die Zahnpaste Tube auf lässt, nie den Müll raus bringt; weil sie immer stundenlang im Bad braucht und überall ihre Haare rumliegen. Sei’s drum, kann ich verstehen. Irgendwann kommt allerdings der Punkt, an dem ich mich als Außenstehende frage: Wenn dich dein Partner so sehr nervt, dass du dich jeden Tag über ihn aufregen musst, warum seid ihr dann noch ein Paar? Warum entscheiden wir uns, unsere Lebenszeit mit jemandem zu verbringen, der uns nervt? Aus Faulheit? Aus Angst alleine zu sein?

Das Ex-Phänomen

Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie oft mir das schon passiert ist: Ich lerne einen netten Mann kennen. Irgendwann erzählt er von seiner Ex (der bescheuerten Kuh) und erklärt in genauester Genauigkeit, warum er absolut ganz und gar nicht mehr mit ihr zusammen sein kann. Eine Zicke war sie, hat ihm alles verboten, war eifersüchtig, herrscherisch und launisch. Der Sex war auch nur Mittelmaß (wenn er denn mal stattfand) und zudem hat sie ihn gegen Ende auch noch mit dem Fitnesstrainer betrogen. So eine wie sie kommt dem Mann niemals wieder ins Haus beschwört er beim Leben seiner Katze. Dann, irgendwann, nach dem gefühlt siebenundzwanzigsten Date (geknutscht wurde natürlich auch schon), herrscht auf einmal Funkstille. Auf Nachfrage finde ich schließlich heraus, dass der nette Mann sich doch entschieden hat, es mit der Ex nochmal zu versuchen. WARUM? Ja ist der Typ denn bescheuert, oder ist ihm sein eigenes Wohlbefinden schlichtweg nichts wert? Da stehe ich, quasi bereit, nicht eifersüchtig, nur ein bisschen herrscherisch, die Meisterin im 5-Minuten Makeup ist und immer ihre Haare wegsaugt. Statt die offensichtlich bessere Variante zu wählen, entscheidet sich der Mann für ein paar weitere Monate, in denen er sich beschweren kann.

Ist eine funktionierende Beziehung langweilig?

Mich beschleicht immer mehr das Gefühl, dass wir, wenn wir eine einigermaßen harmonische Beziehung führen, irgendwie nicht mehr mitreden können. Irgendwann scheint es schick geworden zu sein, seinen Partner doof zu finden. Ja haben die Menschen denn ein so verzweifeltes Bedürfnis dazuzugehören? Nein. Tatsächlich ist es so, dass eine funktionierende Beziehung ganz und gar nicht langweilig ist – sie ist ein Privileg. Trotzdem vergessen wir viel zu oft, auch die guten Seiten preiszugeben. Nehmt zum Beispiel eine Mädchenrunde am Freitagabend im Italiener um die Ecke. Ich kann euch nicht sagen, wie selten ich mal höre, dass einer der Partner irgendwas total Romantisches oder Schönes gemacht hat. Stattdessen werden Probleme gewälzt und psychologisch analysiert. Ist ja auch vollkommen legitim, denn zu unseren kleinen oder größeren Problemchen wollen wir eben die Meinung anderer hören, Lösungsvorschläge erarbeiten und manchmal einfach nur ein bisschen Dampf ablassen. Die Tatsache, dass ER den Müll jede Woche brav am Donnerstag zum Mülleimer trägt ist eben lange nicht so spannend wie die Tatsache, dass er es nicht macht. Anstatt mit unseren Partnern ein bisschen anzugeben, entscheiden wir uns so für einen Wettkampf, in dem es darum geht, wer es schwerer im Leben hat. Ist doch traurig, oder?

Das Gute nicht übersehen

Keine Frage, Nörgelei hat ihre Berechtigung – bis zu einem  gewissen Grad. Wie bei so vielen Situationen im Leben geht es auch hier darum, ein Problem zu identifizieren, festzustellen, wie gravierend es ist und dann zu handeln. Dazwischen darf eine kleine Nörgel-Phase stattfinden, doch irgendwann muss ich mich entscheiden ob ich mich a) mit der Situation abfinde (dann muss ich aber auch aufhören mich darüber zu beschweren) oder b) mit der Situation nicht abfinden kann (dann sollte ich schnellstens daran etwas ändern). Denn wenn ich immer nur meckere, nimmt mich irgendwann niemand mehr ernst. Gleichzeitig sollten wir uns darauf besinnen, wie viel Gewicht wir den negativen Aspekten unserer Beziehung geben, und ob dabei die vielen positiven Aspekte eventuell komplett in den Hintergrund rutschen. Wir sollten es uns tatsächlich gönnen, mal zufrieden zu sein und zu genießen was wir haben. Denn wenn wir immer mehr dazu tendieren, das Gute zu übersehen und uns nur auf das Negative konzentrieren, werden wir irgendwann nicht mehr in der Lage sein, das Gute zu erkennen. Dann bemitleidet uns zwar jeder, aber glücklich macht uns das nicht.

Für uns selbst sollten wir grundsätzlich und vollkommen egoistisch immer nur das Beste wollen. Kompromisse müssen wir wohl alle dann und wann mal eingehen, allerdings sollte es für jeden von uns eine klare Toleranzgrenze geben. Wenn die Probleme in eine Beziehung Überhand  gewinnen und nicht überwindbar sind, macht es wohl mehr Sinn, sie zu beenden, als künstlich in die Länge zu ziehen. Ein Leben zu führen, dass uns unglücklich macht, kann in keinem Fall eine Alternative sein zu einem Leben (vorübergehend nur) mit uns selbst. Wenn wir damit Probleme haben, müssen wir lernen, uns selbst glücklich zu machen.

xoxo_Carrie_2

© Lava Lova – Fotolia.com

22 Gedanken zu “Die Nörgel-Beziehung

  1. Wie schön und treffend Du das darstellst. Ich denke es kommen mehrere Aspekte zusammen:

    1. Wie Du selbst schreibst ist es lustiger/einfacher über jemanden zu meckern als etwas positives zu sagen.
    Stell Dir vor wie es wäre, wenn bei einem Mädelsabend jede versuchen würde die andere mit neuen Lobeshymnen über ihren Freund zu übertrumpfen. Analog bei den Männern. Das wäre für 5 Minuten lustig und danach rastet man aus.

    2. Im Beisein von Singles, die lieber keine Singles wären, will man nicht darüber sprechen wie toll es mit dem Partner ist. Man sieht das Verhalten bei frisch Verliebten und ich muss sagen, dass das ziemlich auf die Nerven gehen kann.
    „Oh, Carrie, mein Freund/in ist so toll, er/sie macht das und dies und es ist so toll. Eine Beziehung ist das Tollste auf der Welt. Ich wollte niemand anderen haben und schon gar nicht Single sein“. Ich denke, dass wäre das letzte Mal, dass Du freiwillig mit dem Paar etwas gemacht hättest

    3. Es liegt im Wesen von den allermeisten von uns immer noch etwas Besseres zu wollen.
    Man hat eine 3ZKB und man hätte gerne 4 Zimmer oder einen Balkon oder Parkett, Garten, Kamin, Schwabing, etc. Es kann immer besser sein.

    Zum Glück gebietet die Höflichkeit die eigenen Gedanken nicht immer laut auszusprechen.

    • Danke für den wiederum sehr treffenden Kommentar. Hier mein Gegenkommentar:

      1. Ich denke es sollte generell nicht um das „sich übertrumpfen“ gehen. Aber es mal zu erzählen wäre immerhin schon ein Anfang 🙂
      2. Das mag stimmen für Singles, die in einem Selbstmitleids-Teich schwimmen. Ich für meinen Teil freue mich mit meinen Freunden, wenn sie etwas schönes erleben und wünsche mir für mich, das auch mal so zu erleben.
      3. Unterschreibe ich. Weil wir uns so schwer tun, einfach mal zufrieden zu sein.

      • Zu 1: Wird wirklich nie etwas positives gesagt? Wie Du weisst sind die meisten meiner Freunde und Bekannte u.a. aufgrund der Kinder in sehr langen Beziehungen. Bei allem zum Ausdruck gebrachten Ärger über ihre Frauen bzw. Männer höre ich aber auch immer wieder positive Kommentare

        Zu 2: Toll, dass Du das so siehst. Habe mir vorhin noch gedacht, dass es für Dich schön sein wird, mal wieder den Single Status zu verlassen, aber für uns wird es doof sein, wenn Du nicht mehr so schöne Beiträge schreibst. Habe den Gedanken dann verworfen, weil Du über Dein Beziehungsleben, eventuelle Kinder, etc. noch viel bessere Beiträge wirst schreiben können.

        Zu 3: Man merkt erst wie gut es einem geht, wenn man wieder etwas anderes erlebt hat. ÖPNV zum Beispiel. Ein Tag London und man weiß die MVG wieder sehr zu schätzen.

  2. Ich bin da bei Sir Alec – wer sagt schon „Ey, ich bin voll entspannt, liebe meinen Job und bin auch sonst zufrieden“ – neeeeein, da kommt immmer nur „Voll gestresst“ oder irgendein anderes Geseufze … Wenn man ein „Geht so“ als Antwort auf die Frage „Wie geht’s?“ bekommt, ist das doch fast schon Standard… Und ich persönlich finde, dass es zunimmt… Weil es auch irgendwie „out“ ist zu sagen, dass man einfach nur glücklich ist … 😉
    Allerdings sollte man es viel, viel öfter sagen, wenn dem denn so ist.. und ansonsten, wie Du richtig schreibst, etwas an der unglücklichen Situation ändern… 😉

  3. Das liegt vielleicht daran, dass zu viele Paare versuchen ein „Paar zu sein“ und sich in eine sehr ereignisarme Partnerschaft stürzen. Und dann werden die Maßstäbe, an denen man die Qualität der Beziehung misst, auf den Hauptaspekt gelegt, wie gut der Alltag zusammen bewältigt wird, anstatt darauf zu achten, wie gut die besonderen Erlebnisse sind, die man miteinander teilt.
    Und wenn man z.B. einen tollen Abend in der Stadt hatte, man miteinander gelacht hat, vielleicht etwas betrunken war, sich auf dem Heimweg im Regen immer wieder kindisch küsste, dann vergisst man daheim auch schnell, wer nun den Müll runterbringen sollte.
    Aber anstatt dass zwei eigenständige Menschen sich bemühen sich gegenseitig mit einer tollen Zeit zu befruchten, bemühen sich zu viele Beziehungs-Abhängige eine „Partnerschaft“ mit stabilen Elementen zu „etablieren“. Müll, Zahnpasta, Socken, Haare, Spülmaschine…was kümmert es, wenn beide versuchen einander glücklich zu machen?

  4. Pingback: Was ist Liebe für mich | my world after

  5. Spannendes Thema! Das ist mir in der Häufigkeit noch gar nicht bewusst geworden. In anderen Bereichen wie Job oder Gesundheit kenn ich das schon eher. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man den Partnern im Gespräch mit Freundinnen schlechter darstellt um besser anzukommen oder vielleicht Mitleid zu ernten… Das Ding beim ständigen Blick auf nervende oder negative Eigenschaften ist aus meiner Sicht ein anderes:
    Wir haben ja alle unsere Idealvorstellung von unserem passenden Partner. Wenn man gerade frisch verliebt ist, ist alles toll – bzw. wir sehen nur das, was uns gefällt. Sinkt dann irgendwann der Hormonspiegel, dann wird’s interessant! Plötzlich fallen uns Dinge auf, die uns gar nicht gefallen.
    Marlene Dietrich hat mal gesagt: Frauen versuchen immer Männer zu verändern. Und haben sie sie verändert, dann wollen sie sie nicht mehr! 😉
    In den Dingen die uns total nerven liegt aber ein grosser Schatz verborgen… Wenn wir mal ganz ehrlich zu uns sind, werden wir feststellen, dass das genau die Eigenschaften und Verhaltensweisen sind, die wir entweder bei uns selbst auch hassen oder die wir uns selbst verbieten oder nicht zugestehen. Über eine solche „Selbsterkenntnis“ können wir uns so weiter entwickeln. Und ich wette danach ist „das Problem“ nicht mehr existent.

    Der 2. Aspekt ist, das wir uns an den Partner gewöhnen und gar nicht mehr richtig hinschauen. Er kommt in eine Schublade und wir glauben: „Der ist halt so oder so“. Wenn man bewusst aber neugierig bleibt und den anderen immer mal wieder neu entdeckt, kann auch die Begeisterung bleiben.

    • Du hast vollkommen recht. Es ist im Grunde fast immer so, dass wir uns bei anderen Menschen genau über die Dinge aufregen, die wir gerne mehr leben würden, ist wirklich interessant.

      Worum es mir hier mehr ging war die Tatsache, dass ich dieses ewige Gemotze nicht mehr hören kann. Ich denke mir dann: Find dich damit ab und hör auf zu meckern oder ändere was. kann doch so schwer nicht sein, oder? 🙂

  6. du sprichst mir hier sowas von der seele. aber ich denke, das ist etwas, das man lernen muss und wozu man vermutlich den „richtigen“ (ergo vielleicht: schmerzhaften) auslöser braucht. ich war auch lange zeit an diese nörgel-beziehung gewöhnt, erst mit meinem ex, dann mit meinem neuen. irgendwie habe ich das gefühl, das ist die sex and the city-generation. irgendwann hat mir das gereicht und ich hab mich selber gefragt: will ich diese beziehung? dann arrangier dich mit den kompromissen und wertschätze die positiven sachen. und wenn ich sie nicht will, dann strich drunter. ich wollte sie und sehe die dinge nun anders. allerdings habe ich wirklich die erfahrung gemacht, dass es nun mit meinen zwei damals besten freundinnen schwierig geworden ist – denn die intensität unserer freundschaft hat sich vor allem aus den unzähligen stunden ergeben, die wir über unverständliche männer sinniert haben oder zuspruch gebraucht oder reset-pläne geschmiedet haben. deswegen glaube ich, dass vieles nörgeln erstmal eine soziale dynamik ist, die aber leicht umschwappen kann auf die eigene und ehrliche verfassung verfassung.

    • So habe ich das noch gar nicht gesehen, aber du hast recht. Auch unter Freunden spricht man meistens über Negatives. Vielleicht müssen wir uns mehr Mühe geben, bei all diesen Angelegenheiten einen gesunden Mittelweg zu finden?

      • ja, leider. und glaub mir, es ist schwierig, wenn in einer single-runde auf einmal jemand eine beziehung hat und der gemeinsame nenner „verletzt und auf der suche“ fehlt. ich hatte grade am montag wieder so eine situation in der ich dann einfach nur mehr zuhörer war, weil ich gemerkt habe, dass auf die erzählung von schönen oder gar romantischen beziehungsdingen relativ unschöner zynismus folgt. auch wenn ich weiß, dass mich das nicht persönlich treffen soll sondern die enttäuschung aus den entsprechenden menschen spricht, ist es verletzend wenn es freunde sind und führt dazu, dass man – wenn man etwas erzählt – letztendlich doch eher die negativen sachen heraushebt, selbst, wenn man es nicht in der gewichtung empfindet.

      • Schade, dass man dem anderen das Glück nicht gönnen kann und der neid aus einem spricht. Ich denke immerhin davon bin ich befreit.

      • ja, das ist ein jammer. obwohl ich das gefühl kenne, ich kann es ihnen also auch nicht vorwerfen. trotzdem ist es leider manchmal schwierig und ich bin sehr froh, es auch ganz anders zu kennen.

  7. Du sprichst mir aus der Seele!
    Dank der ganzen nörgelnden Menschen, fühle ich mich aber auch gleich viel besser! Ich denke mir dann immer, lieber alleine, als so eine Beziehung!
    LG

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