Können vs. Wollen

Ein Thema, das uns Singles oft beschäftigt, ist das Alleinsein. Wo es sonst so viele Themen gibt, die bei Frauen und Männern unterschiedlicher nicht sein könnten, ist das Alleinsein ein Thema, das scheinbar beide Geschlechter gleichermaßen beschäftigt. Ich höre immer dieses „Ich kann einfach nicht alleine sein“ und frage mich, was es tatsächlich bedeutet.

Alleine sein

Wenn wir sagen, wir könnten nicht alleine sein, meinen wir im Grunde nicht das echte Alleinsein. Wir meinen eigentlich, wir könnten nicht ohne einen Partner in unserem Leben sein. Denn alleine, wenn wir mal ehrlich sind, sind wir wohl alle nicht. Wir haben Freunde, wir haben Familie, der eine mehr, der andere weniger, aber alleine sind wir nicht wirklich. Die Aussage „ich kann nicht alleine sein“ fällt überraschender Weise meistens dann, wenn wir etwas tun, das irgendwie nicht so ganz koscher ist. Wenn wir uns auf eine Liebschaft einlassen, die uns im Grunde nicht glücklich macht. Wenn wir in einer Partnerschaft verweilen, die uns nicht gut tut. Wenn wir durch die Clubs und Bars ziehen und jeden Morgen neben jemand anderem aufwachen. Aber warum tun wir das, wenn wir doch eigentlich wissen, dass es uns nicht gut tut? Wirklich nur, weil wir nicht alleine sein können?

Eine Geschichte über das Alleinsein

Es gab eine Zeit in meinem Leben, da konnte ich auch nicht alleine sein. Ich musste unbedingt zu Hause ausziehen, obwohl ich es mir eigentlich gar nicht wirklich leisten konnte. Also habe ich im Grunde sieben Tage die Woche gearbeitet und das verdiente Geld gleich wieder zum Fenster rausgeschmissen. Für Rechnungen war nichts mehr übrig, und ich wusste, dass ich zu Hause im Briefkasten die Realität finden würde. Sobald ich zu Hause auf dem Sofa saß, fühlte ich mich schrecklich. Also ging ich aus, traf Freunde und gab quasi alles, um nur nicht zu Hause sein zu müssen – alleine. Ich konnte nicht alleine sein. Riesengroßer Blödsinn. Klar konnte ich alleine sein, jeder Mensch kann alleine sein. Niemand geht zu Grunde, wenn er mal ein bisschen alleine ist. Ich wollte schlichtweg nicht alleine sein. Denn wenn ich alleine gewesen wäre, wäre ich ja quasi gezwungen gewesen, mich mit den Problemen, die da in meinem Briefkasten lauerten, auseinanderzusetzen. Und Auseinandersetzung ist ziemlich Kacke.

Angst

Dieses „nicht alleine sein können“, das wir einfach um uns werfen, sagt also im Grunde nichts anderes aus als „ich habe Angst“. Ich habe Angst, mich den Problemen zu stellen, die da irgendwo lauern. Ich weiß, dass sie da sind, aber für den Moment fühlt es sich um einiges besser an, sie durch Ablenkung jeglicher Art von mir wegzuschieben. Und so ist es auch in Beziehungsdingen. „Ich kann nicht alleine sein“ hält als wunderbare Entschuldigung her. Ich bleibe bei dem Mann, der mich eigentlich nicht glücklich macht, denn ich kann nicht alleine sein. Warum? Würde ich mir eingestehen können, dass ich sehr wohl alleine sein kann, müsste ich logischerweise auch erkennen, dass ich mich meinen Problemen stellen muss – und das bedeutet Auseinandersetzung. Und davor haben wir Angst, denn meistens ist Auseinandersetzung erst einmal unschön. Kann es eine Lösung sein, immer mit einem großen Sack Probleme auf den Schultern durchs Leben zu gehen? Haben wir nicht etwas Besseres verdient?

Dein Leben – deine Entscheidung

Irgendwann, mit einem Brief meiner Bank in der Hand, kam damals der Moment, in dem ich es satt hatte, nicht alleine sein zu können. Also habe ich mich meinen Problemen gestellt, sie gelöst, und auf wundersame Weise ging es mir plötzlich besser. Klar war es eine ziemlich bittere Zeit, aber mal ehrlich – ein Problem-Sack auf dem Rücken verursacht auf Dauer fiese Rückenschmerzen. Wenn ihr daran denkt, in welchen Situationen ihr sagt „ich kann nicht alleine sein“, vor was lauft ihr weg? Welche Probleme sind ungelöst? Je mehr wir uns die Unfähigkeit alleine sein zu können einreden, desto mehr Angst bekommen wir vor dem Moment, in dem wir es tatsächlich sind. Hinsichtlich der Tatsache, dass wir zwar sicherlich irgendwann einmal ohne Partner, jedoch bestimmt niemals alleine sein werden – ist es das wert? Keine Frage: Alleinsein will gelernt sein, jedoch ist es kein Hexenwerk. Es erfordert lediglich den Willen, sich darauf einzulassen. Und auf einmal kommst du in einen Zustand, in dem du im Reinen mit dir selbst bist. Erstrebenswert, sage ich euch. Vor allem können wir uns selbst dafür entscheiden.

Können vs. Wollen

Erst können wir nicht alleine sein, weil wir es nicht wollen. Dann lernen wir, alleine zu sein. Ich für meinen Teil habe es sehr zu schätzen gelernt. Die Fähigkeit, alleine sein zu können heißt auch, in der Lage zu sein, sich mit sich selbst beschäftigen zu können – und das auch gerne zu tun. Mittlerweile genieße ich es sehr, einfach mal einen Tag nur für mich zu haben. Wenn es Dinge gibt, über die ich nachdenken will, tue ich das; wenn nicht, mache ich einfach, was mir gut tut. Und dann kommt der Punkt, an dem ich zwar alleine sein kann, und nicht zwingend einen Partner in meinem Leben brauche, der mich rund um die Uhr bespaßt, es aber nicht will. Im „für mich sein“ bin ich für meinen Geschmack nun geübt genug. Ich stehe im Leben, bin mir meiner selbst bewusst und bin mit mir selbst absolut in Ordnung. Quasi bin ich jetzt irgendwie bereit, einen zweiten Menschen in mein Leben zu lassen. Allein sein können, es aber nicht wollen – an einem Lösungsvorschlag für diesen Zustand arbeite ich noch.

xoxo_Carrie_2

photo credit: foka kytutr via photopin cc

11 Gedanken zu “Können vs. Wollen

  1. Wie geht der Spruch noch mal? Verheiratet sein bedeutet die Probleme zu teilen, die man alleine nicht hätte.
    In der Tat ist „Allein sein“ genau so ein erlernbarer Zustand wie das „zusammen leben“ in einer Partnerschaft – eigentlich sogar noch viel einfacher – reduziert er doch die Menschen mit denen man auskommen muss um die Hälfte.
    „Nicht Alleinsein“ bedeutet ja, dass man sich auf den anderen Menschen einlässt, eine Symbiose in der jeder Partner Teile von sich gibt um den anderen zu ergänzen – IDEALVORSTELLUNG..
    Doch irgendwann wird aus der Symbiose eine Assimilation – man ist nicht mehr lebensfähig ohne den langjährigen Partner.
    Tatsächlich habe ich in meinem Umfeld Freunde, die NICHT allein sein können und sich sofort mit Gewalt in eine neue Beziehung stürzen. Die stellen Ihre eigene Existenz in Frage, wenn Sie nicht irgend ein Weibchen bespassen können.
    Ich habe nach Jahren in Beziehungen festgestellt, dass ich mich wesentlich wohler fühle, wenn ich NICHT in einer Beziehung bin. Diese Gefühlsschwankungen, euphorisch – wenn man verliebt war, dann aber wieder zu Tode betrübt, wenn eine Trennung eine neue Narbe ins Herz schnitt – das hat mich irgendwann nur noch genervt weil es Auswirkungen auf mein Leben und mein Umfeld hatte (denn auch der beste Freund hat es irgendwann satt sich die gescheiterten Mensch-Mensch-Beziehungen anzuhören) und mich letztlich dazu gebracht mich zu entscheiden, ob ich weiter Hormongesteuert oder Verstandesgesteuert mein Leben führe.
    Ein Liebes – oder besser Sex-Leben wie Charlie Harper: „einmal bei mir schlafen ist OK – aber zweimal bei mir schlafen ist eine Beziehung“, ist die Folge. Doch es gibt schlimmeres..
    Damit geht natürlich auch das Alleinsein einher – ein Begriff, den ich aber nicht als negativ empfinde. Meistens kommt aus dem Umfeld als Argument für eine lebenslange Beziehung das Argument / die Frage: „aber willst Du im Alter alleine sein? Dann hast Du niemanden..“
    Aber sieht so die Realität aus?
    Selbst eine geistig völlig im Einklang tickende Mensch-Mensch-Beziehung, die sich wortlos versteht, und perfekt funktioniert – wird auf der Gegenseite von der einen Sekunde auf die andere lebensunfähig, wenn einer der beiden durch Tod aus dem Leben gerissen wird.
    Sehe ich die hier noch verbliebenen wohnenden Zwetschenmännchen und Frauen, wenn Sie plötzlich Ihr Leben alleine meistern müssen, dann sehe ich mehrheitlich absolute Unfähigkeit mit der neuen Situation klar zu kommen – einfachste Dinge des täglichen Lebens geraten zur unlösbaren Aufgabe – und der völlige Verlust von Lebenswillen ist quasi gleichbedeutend mit dem warten auf einen erlösenden Tod, der sich aber lange Jahre Zeit lässt, und den Verbliebenen damit quält weiter ein Fremdkörper in seinem menschlichem Umfeld zu sein, bis er endlich durch den Exitus erlöst wird.
    Aber diese Aussicht ist dann doch nix für mich..

  2. ich habe das sehr ähnlich erlebt, vor allem den punkt mit dem können und wollen. können ist eine sache – aber deswegen muss es – langfristig – nicht die bevorzugte variante sein. wie immer ein wunderbarer text, den ich auch „nur“ liken könnte da ich ihm einfach zustimme.

    • Ich denke das „Können“ ist essentiell wichtig. Vielleicht will man es auch eine zeit lang ganz bewusst, aber ich stimme dir zu: Irgendwann hat der Spaß dann auch mal ein Loch. 🙂

  3. Hallo Carrie, ich finde dein Blog sehr interessant. Alleine sein will wahrscheinlich niemand, Der Mensch ist nun mal so gestrickt, dass er andere Menschen um sich braucht. Ich lebe seit 18 Jahren in einer Beziehung, die gut funktioniert. Trotzdem fühle ich mich manchmal alleine, weil ich gerne Freunde hätte, mit denen ich auf der gleichen Wellenlänge wäre. Wenn ich wen Interessanten kennenlerne, dann hat er entweder eine Beziehung und widmet die meiste Zeit der Beziehung oder er ist single und dann investiert er die meiste Zeit in die Partner- oder Datesuche. Ist es nicht schräg?

  4. Hallo!
    Es tut mir leid sagen zu müssen, dass dein Text, in dem scheinbar allgemeingültigen Rahmen in dem du ihn dartsellst, am selbstgewählten Thema vorbeigeht.
    Bei weitem nicht jeder Mensch der nicht alleine sein möchte läuft vor Problemen davon. Es gibt diese Menschen, geschenkt. Aber für sehr viele ist das Alleinsein an sich das Problem. Ihnen allen jedoch pauschal eine Form von Realitätsflucht zu unterstellen ist trotzdem falsch. Und meiner Ansicht nach auch sehr respektlos.
    Dein Fehler besteht darin, dass du zwei Begriffe verwechselst: „Alleine sein“ auf der einen und „Gesellschaft haben“ auf der anderen Seite.
    Viele Grüße
    Mechanicus

    • Ich habe das Gefühl du hast da was falsch verstanden. Ich sage nie, dass Menschen, die nicht alleine sein WOLLEN, vor Problemen davon rennen. Da würde ich mir ja ins eigene Fleisch schneiden. Ich sage, dass die die immer behaupten sie KÖNNTEN es nicht oft davon laufen. Denn jeder kann das. Es ist hier ein Unterschied zwischen zwei Arten von wollen.

      C.

  5. Hallo Carrie, ich habe gerade angefangen über das Single Dasein mit 40 zu bloggen und freu mich, dass ich Deinen Blog gefunden hab. Ob es wohl Unterschiede gibt? Wahrscheinlich, aber vielleicht auch weniger als Frau denkt.
    Und um Alleinsein zu können, mir selbst zu genügen habe ich fast 40 Jahre gebraucht und jetzt gehe ich mit Singlesein ganz anders um – und das ist schön!
    Liebe Grüße aus Wien

    http://einzelblog.com/

  6. Pingback: “Ich kann das nicht!” – Das nächste große Ding? | Is it Love?

  7. Ganz alleine sind wir nicht? Na das kommt drauf an wer es ist. Ich z. B. bin ohne Partner alleine in einer Großstadt. Mit einer Bekanntschaft, die mit mir Shoppen mag obwohl ich nie ein Fan von Shoppen war. Abgesehen von ihr bin ich jetzt als Single alleine in dieser Stadt.

      • Hm… Also ich war leider (oder manchmal nicht leider) immer SO WEIT von Mainstream entfernt, dass ich… fast keine Menschen fand, die mich auch nur halbwegs verstehen würden. Bis auf meinen Ex. Der auch mein bester Freund ist. Und der jetzt eine eifersüchtige andere hat. So dass es mit der Freundschaft auch ziemlich vorbei ist.
        Hab mich ja wirklich aus Verzweiflung beim Parship eingetragen. Aber… ist wohl noch zu früh. Ich glaub das bringt jetzt nix. Obwohl… 😉 Dort bin ich ja auf den Link zu deinem Blog gestoßen 😉

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